Aus einem „alten Schätzchen“
Dorothée von bushcooks kitchen hat sich Rezepte aus unseren alten Schätzchen gewünscht. Da bin ich dabei.
Mein altes Schätzchen ist Henriette Davidis Kochbuch in der 23. Auflage von 1878. Leider ist nicht jedes Gericht in unserer heutigen Küche ohne weiteres umzusetzen. So heißt es zum Beispiel im Rezept für „Fasan gebraten“: „Derselbe muss unbedingt vor dem Gebrauch 5-6 Tage in den Federn hängen, weil andernfalls der feine Geschmack nichts Feines darin finden will.“ Auch die Rezepte für Fischreiher – „vom Fischreiher ist nur die Brust wohlschmeckend, das Übrige tranig“, und Pfau – „der halbgewachsene Pfau ist zum Braten am besten. Derselbe wird wie Puter 3 Tage vor Gebrauch geschlachtet, nur bis zur Hälfte des Halses gerupft, damit die Gäste ihn erkennen“ bringen mich nicht wirklich weiter. Ui – oder habt ihr schon Dachs gegessen? „Ein junger Dachs soll sehr wohlschmeckend, Schweinsfilet ähnlich sein.“ Jetzt wissen wir Bescheid!
Eine Zutat die in vielen Rezepten immer wieder auftaucht habe ich zumindest: „Drittens gehört dazu eine fleißige Köchin, welche für geeignete Hitze und fleißiges Begießen sorgt.“ Na daran soll’s nicht scheitern.
Jetzt dachte ich ich hätte ein Rezept für Wildschweinstopf gefunden… (ja, ich kämpfe mit altdeutscher Schrift) beim genaueren Lesen stellte sich dann heraus, dass es sich um den Wildschweinskopf handelt und den muss man vorher zum Schmied bringen „um ihn mit glühendem Eisen gehörig absengen zu lassen“. Überhaupt sind hier ständig ziemlich viele Köpfe und Füße im Essen…
Auch die Ausländischen Speisen (indianische Vogelnester, Schildkrötensuppe, Schnecken, Froschschenkel und Fischotter) bringen mich nicht so recht weiter.
Nach wirklich langem Suchen habe ich mich entschieden:
Lachs mit Kräutern
Zutaten (im Original ohne Mengenangaben):
450g Lachs
1 kleines Bund Petersilie
1 Schalotte
1 kleines Bund Dragon (=Estragon)
Kapern (habe ich weg gelassen)
ausgewässerte und entgrätete Sardellen (hier 6 Sardellenfilets)
2 1/2 TL (eingelegter) Pfeffer
150g Butter
2 EL Zitronensaft = 1/2 Zitrone
2 Gläser Weißwein
einige Löffel gute Kraftbrühe (50ml Rinderbrühe)
1 Eigelb (habe ich weg gelassen)
Kartoffeln
Zubereitung:
„Der Lachs wird gehörig gereinigt und in passende Stücken geschnitten., dann werden folgende Kräuter als: Petersilie, Schalotten, Kapern, Dragon, auch Kapern, ausgewässerte und entgrätete Sardellen und etwas gestoßener Pfeffer durchgemischt.“
Bei mir: Ich häute den Lachs. Dazu lege ich ihn mit der Haut nach unten auf ein großes Brett und schneide mit einem großen Messer direkt über der Haut, flach am Brett entlang. Sieht doch gar nicht so schlecht aus…
Dann entscheide ich, dass „passende Stücken“ 1878 und heute genau diese Größe haben:
Die Schalotte, Petersilie und Estragon hacke ich in feine Stücken. Die Sardellen in feine Streifen. Kapern habe ich beim Einkaufen vergessen, bin ich aber eh kein großer Fan von, Henriette wird’s verzeihen. Also keine Kapern. Beim Pfeffer bin ich etwas unsicher – frischen oder getrockneten? Da werde ich wohl keinen Rat mehr bekommen. Ich entscheide mich für eingelegten roten Pfeffer den ich im Mörser kurz etwas zerstoße.
„Darauf lässt man frische Butter schmelzen, fügt die gehackten Kräuter und so viel Zitronensaft hinzu, daß es einen säuerlichen Geschmack erhält, stellt solches aufs Feuer, legt, wenn es warm geworden, den Lachs hinein und lässt ihn unter fleißigem Umwenden 2 Stunden darin liegen während die Butter nur flüssig erhalten wird, nicht braten darf.“
Bei mir: Ich schmelze die Butter in einem kleinen Topf bei mittlerer Hitze (Stufe 5 von 9). Wenn sie flüssig ist gebe ich alle Kräuter, Schalotte, Zitronensaft und Pfeffer dazu.
Dann hebe ich vorsichtig die Lachsstücken unter. Die Hitze stelle ich komplett aus. Sonst ist der Lachs ja ratz-fatz gar…!? So lasse ich die ganze Geschichte 2 Stunden marinieren. Die Butter benimmt sich bestens und macht keine Anstalten wieder auszuhärten. Ab und an rühre ich mal um. Kurz vor Ende schäle ich die Kartoffeln und koche sie in einem Topf Salzwasser bis sie gar sind (ca. 15 Minuten).
Nun wird eine Pfanne mit Butter heiß gemacht und der Lachs 10 Minuten darin gebraten, wobei man ihn häufig mittels einer Feder mit der Marinade auf beiden Seiten bestreicht.
Zur Sauce wird die übriggebliebene Marinade mit 2 Glas weißem Wein, einigen Löffeln guter Kraftbrühe eingekocht, und sollte sie nicht säuerlich genug sein, Zitronensaft hinzugefügt und mit einem Eidotter abgerührt.
Ich erhitze etwas von der Marinade in einer ausreichend großen Pfanne (ist ja eh nur Butter) und gebe dann die Lachswürfel vorsichtig hinein. Ich habe die Fischstücken von jeder Seite 3 Minuten braten lassen, das war vollkommen ausreichend. Zum bepinseln mit der Marinade habe ich einen Silikonbackpinsel genommen.
Parallel habe ich Weißwein und Brühe in die restliche Marinade gegeben und alles etwas reduzieren lassen. Leider sah das doch eher unappetitlich aus, eben wie Marinade und nicht wie Sauce. Also habe ich kurzerhand zum Stabmixer gegriffen und das Ganze zu einer glatten Sauce aufgemixt. Die hatte eine so schöne Konsistenz, dass da auch kein Ei mehr rein musste.
Lachs, Kartoffeln und Sauce werden zusammen auf dem Teller angerichtet. Dazu passt wunderbar ein Glas trockener, französischer Weißwein.
Bon Appetit!
bushcook meint
Ich hätte ja zu gerne noch die Feder gesehen…
Da bist Du ja im Besitz eines ganz besonderen alten Schätzchens, irgendwo im www. gibt es eine Seite, da wird eine Kochbuchsammlung nur aus Davidis-Bücher vorgestellt. Leider weiß ich sie nicht mehr.
Von den Zutaten und Aromen kann ich mir gut vorstellen, daß es köstlich geschmeckt hat.
katha-kocht meint
Ja, das Buch ist schon ein echtes „Schätzchen“. Auch, wenn es wirklich nicht einfach war etwas passendes für dieses Event zu finden. Aber geschmacklich ist dieses Gericht auf jeden Fall zeitlos 🙂
Luna meint
Ich hätte zu gern die Rezepte für Dachs, Otter, Pfau und Co.
Da ich viel auf historischen Märkten unterwegs bin wäre es ein toller Hingucker diese Rezepte neben dem großen Topf auszuhängen.
zB das Dachsrezept (mit Schweinefleisch) nachzukochen, denorativ neben einem Dachsfell anzurichten und den Leuten das „Essen von damals“ und die kulinarischen Gepflogenheiten näher zu bringen 🙂
Felix meint
Hi,
das Dachs- und Fischotter-Rezept hätte ich auch gerne, da ich an einer Ausstellung arbeite, die unseren kulinarischen Bezug zur Landschaft zeigen soll. Und sowohl Fuchs, als auch Dachs und andere Raubtiere sind in manchen Zeiten gegessen worden. Nicht nur in Notzeiten, teilweise war es auch explizit dem Hochael vorbehalten, bspw. Wolfsbraten servieren zu können.
Also nicht unbedingt legal, icht unbedingt lecker – aber manchmal dann doch erstaunlich gut und immer ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen.
Also, wenn möglich, freue ich mich über ein Faksimile 🙂
marion meint
Wunderbar, deine Beschreibung des alten Kochbuchs von Henriette Davidis. Ich musste beim Lesen oft schmunzeln.
Der Lachs mit den Kräutern hat sicher damals wie heute sehr gut geschmeckt.
katha-kocht meint
Ja, die Rezepte im Buch sind schon sehr putzig geschrieben. Man kann sich richtig vorstellen wie damals tausende junger Hausfrauen mit diesem Buch am Herd standen.
Anna meint
Das ist ja ein toller Schatz. Damals waren sie noch nicht so hektisch wie wir und konnten Stunden kochen. Das ist dann wirklich slow cooking. 🙂
katha-kocht meint
Ja, da gibt es viele Rezepte in diesem Buch die über Tage vorbereitet werden – einfach indem das Fleisch auf eine bestimmte Art abgehangen wird. Dann kommt oft eine lange Phase wo es eingelegt wird, bevor dich die „tüchtige Köchin“ dann für Stunden an den Herd stellt. Ist halt damals alles noch ganz anders gewesen 🙂
ninive meint
So ein schönes Buch… und so fein interpretiert- diesen Lachs würde ich auch mögen.
Ninive meint
Hab heute über dieses Rezept improvisiert- das wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein. WEniger Butter, kürzere Marinierzeit, und das mit dem Ei war irgendwie optisch nicht ganz so toll- geschmacklich allerdings einwandfrei. Knofi hab ich noch in die Marinade, und gesalzene Kapern aus Sizilien, dafür keine Sardellen.
Also, nochmal, Kompliment für dieses alte Schätzchen…..
katha-kocht meint
Hallöchen! Schön, dass dir das Rezept so gut gefallen hat. Es ist wirklich alt aber lässt Spielraum für Variationen. Ich fand es toll zu lesen was du geändert hast – da sieht man, dass manche Rezepte wirklich nicht veralten 🙂
Michael meint
Hallo Michael hier eine kurze Frage hast du schon mal einen Pfau gebraten hätte gerne mal ein Rezept dafür vielen Dank